Paul Smarts Imola Sieg 1972 für die Ewigkeit

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2001 in Imola zelebrierte Ducati beim Superbike-WM-Finale den Weltmeistertitel von Troy Bayliss in silbernem Ducati 996-Livree sowie einem Treffen mit Paul Smart und seiner Ducati 750 SS von 1972. Mit dabei im Bild in der Mitte ist Rennarzt Claudio Costa, dessen Vater Checco einst das Imola 200 Meilen-Event organisiert hatte. Foto: Buenos Dias

Der frühere Rennfahrer Paul Smart kam vor zwei Tagen, am 27. Oktober, in seiner Heimat Kent bei einem Verkehrunfall mit dem Motorrad ums Leben. Der freundliche, weithin beliebte Brite, wurde 78 Jahre alt. Smart begann Ende der 60er Jahre seine Renn-Karriere und arbeitete sich zum Werksfahrer bei Triumph, Kawasaki, Ducati und Suzuki hoch; er erlebte als Aktiver die Übergangsphase mit dicken, von Serienbikes abgeleiteten Viertaktern bis zu Zweitakt-Rennmaschinen in allen Hubraumklassen – in nationalen Serien, im Grand-Prix-Sport sowie als Profi in der US-Rennszene mit Reifen-shreddernden 750er Zweitakt-Monstern von Kawasaki und Suzuki. Beim Daytona 200 stand er zweimal auf der Pole und war Teamgefährte von Barry Sheene, als die Square Four-Suzuki RG500 beim Frankreich-GP 1974 in Clermont-Ferrand debütierte. 

Paul Smart war in vielen Klassen zu Hause. Hier 1976 mit der Square Four Suzuki RG 500. Foto: Suzuki-Racing.com
Start vor vollen Tribünen zum Imola 200-Rennen 1972: Paul Smart (16) legt gleich ordentlich los. Foto: Archiv Ducati.

Paul Smarts bedeutendster Rennerfolg gelang 1972 für Ducati, als er und Bruno Spaggiari einen Doppelsieg beim 200 Meilen-Rennen in Imola einfuhren, der sich als Sieg für die Ewigkeit entpuppen sollte, weil damit auch der ganze Zauber um Ducatis Desmo-Twins begann, was zweifellos einen Blick in den Rückspiegel verdient:

Ducati fertigte in jenen Jahren überwiegend kleine Singles. Eine 1260er-V4, Codename Apollo, die als US-Polizeibike (gegen Harley) Erfolg bringen sollte war gestoppt worden, weil Importeur Joe Berliner, die die Entwicklung mitträgt, finanziell schwächelte. Ingenieur Fabio Taglioni halbierte das V4-Herz, so entstand Bolognas erste Maschine mit einem 90 Grad-L-Twin, die 750 GT. Schlank, schön, vielversprechend. Denn Bigbikes waren weltweit schwer im Kommen. 

Belauern bis zur letzten Runde: Smart vor Spaggiari. Foto: Archiv Ducati.

Als 1972 nach Daytona-Vorbild in Imola erstmals ein 200 Meilen-Rennen für 750er auf Serien-Basis steigen sollte, war Bologna Feuer und Flamme. Rennsport gegen die vollständig antretende Konkurrenz galt damals als ideale Werbebühne. Taglioni zauberte für Ducati einen Renner auf Basis der 750 GT, allerdings mit Desmo-Ventiltrieb statt normaler Schließfedern, Doppelscheibenbremse, hochgelegtem Auspuff und Vollverkleidung. Tank und Höcker stammten vom gleichzeitig betriebenen 500er GP-Projekt. Der gedopte Zweizylinder mit 40er Dellortos schickte 85 PS bei 8.800/min ans Hinterrad, wog ohne Benzin 162 kg und rannte über 240 km/h Spitze.

Zehn Werks-Ducati 750 SS-Bikes wurden für Imola gebaut, für vier Fahrer: Italo-Haudegen Bruno Spaggiari,  Landsmann Ermanno Giuliano und Brite Alan Dunscombe. Als vierter und potentieller Siegfahrer wurden die GP-Stars Jarno Saarinen, Renzo Pasolini und Barry Sheene angefragt, aber alle sagen ab. Keiner traute Ducati ein ernsthaft siegfähiges Gerät für das 200 Meilen-Rennen zu. Schließlich wurde Paul Smart engagiert. Seine Frau Maggie, Barry Sheenes Schwester, hatte den Deal am Telefon mit Ducati-Direktor Spairani vereinbart. Brite Smart, Vollgas-Legionär in den USA beim Kawasaki-Team Hansen, war zunächst ebenfalls skeptisch, erwägte sogar eine nachträgliche Absage, flog dann aber wie vereinbart aus Atlanta ein.

Smart unterwegs zu seinem größten Sieg. Foto: Archiv Ducati.

Das 200 Meilen Rennen stieg am 23 April, zufällig auch Pauls Smarts Geburtstag. Am Donnerstag zuvor, müde von Flug und Zeitumstellung, drehte er erste Proberunden mit dem Desmo-Renner auf einer engen, eckigen Piste in Modena. Der Radstand betrug beachtliche 1,5 Meter, weil Imola damals nur schnelle Kurven zu bieten hatte. Das stabile Handling erwies sich trotzdem okay, den Rest übertünchte Smarts spektakulärer Bammelbein-Fahrstil. Der bollernde Twin funktionierte zuverlässig, ging besser als erwartet und zog tierisch durch. Nur die Sitzposition musste angepasst werden, dazu wünschte Smart sich statt Dunlops TT100 richtige Rennreifen. Zum Testfahrt-Ende jubilierte die Truppe, als Smart den von Giacomo Agostini gehaltenen Rundenrekord brach.

In Imola marschierte dann grimmigste Konkurrenz auf. Giacomo Agostini auf MV Agusta (mit Kardan), Walter Villa war da, Tony Jefferies auf einer mächtigen Triumph, Dave Croxford und Peter Williams auf Norton, Jack Findlay auf Moto Guzzi, dazu namhafte Fahrer auf Yamaha, Suzuki, Kawasaki und Honda.

Nicht nur im Training, auch im Rennen vor 70.000 Zuschauern brausten die silbrigen Desmo-Ducatis allen davon. Nur 5 Runden führte Ago Nationale, dann donnerte Paul Smart vor der Haupttribüne vorbei, gefolgt von Spaggiari. Rad an Rad drehten die beiden schließlich ihre Runden., überholten sich in der Schlussphase mehrfach. Beim Schlussspurt behielt Smart trotz eines Getriebeproblems das bessere Ende für sich. Beide Ducatis erreichten das Ziel mit dem letzten Tropfen Sprit. Walter Villa (Triumph) wurde Dritter, vor Phil Read auf John-Player-Norton und Ray Pickrell auf Werks-Triumph.

Ein Teil der Werks-Armada für Imola 1972 mit 10 Bikes für 4 Fahrer.
Legendär: Der verglaste Renntransporter.

Die ausgelöste Begeisterung war gewaltig. Beim Triumphzug durch Bologna liess sich das Team auf dem Dach des legendären, verglasten Transporters von den Tifosi umjubeln. der unerwartete Erfolg wurde in den Medien bejubelt, Ducati war in aller Munde. Weltweit zogen die Verkäufe der GT 750 an. Mehr Modelle folgten, speziell die zulassungsfähige 750 SS Imola Replica, deren legendärer Ruf bis heute nachhallt.

Sporthistorisch war Imola 1972 quasi der Urknall des typischen Ducati-Desmo-Twins, der zum Überleben der Company in der mit Big-Bikes durchstartenden Motorradszene beitrug und entscheidend zum Markenimage beitrug. Smart sahnte 40.000 Mark Preisgeld ab, bekam sein Siegerbike geschenkt, es gehörte ihm bis zuletzt, auch wenn es längst im Ducati-Werksmuseum in Bologna ausgestellt ist.  

Die Imola-Sieger 750 SS im Ducati-Museum. Foto: Buenos Dias.

Text: Salatprynz/Gerhard Rudolph

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Gerhard Rudolph, fährt Honda CB 1300 und am liebsten Jethelm mit dunklem Visier.

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