50 Jahre Harley XR-750 Dirttracker

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Über Jahrzehnte der Dirttrack-Maßstab: Harleys XR-750.

50 Jahre ist Harleys legendäre Dirttrack-Rennmaschine alt geworden. Die XR-750 debütierte 1970, nachdem die AMA (American Motorcyclist Association) das Reglement im Flat Track geändert hatte. Neue Regeln ließen seitengesteuerten Motoren, wie sie Harley zuvor verwendet hatte, keine Chance mehr. Ein 750er-OHV-Triebwerk musste her und HD´s Rennmanager Dick O’Brien liess es sein Team auf Basis des V-Twins bauen, der im Sportster XLR-Racebike zum Einsatz kam. Beim neuen Flat Tracker steckte der Motor in einem modifizierten KR-Racingrahmen, den Ceriani-Gabel und Girling- Federbeinen komplettierten. Als Zutaten sorgten hoher Lenker, Fiberglas-Winztank und Bürzel für das typische Dirt-Track-Outfit. Auf die 4×19-Inch- Speichenräder waren grob profilierte Flatrack-Pneus montiert. 200 Einheiten wurden hergestellt, um dem Reglement der AMA zu entsprechen. 3.200 US-Dollar kosteten ein Exemplar der Produktions-Rennmaschine für sportlich aktive Kunden – Bremsen nicht inbegriffen, denn im Flat Track braucht es nur eine einzige davon und die konnten die Teams ganz nach Gusto am Heck selbst nachrüsten. 

Frühe XR-750 von 1975.

Die XR-750 entwickelte sich zu einer der erfolgreichsten Rennmaschinen überhaupt und sollte sich über Jahrzehnte im Dirttrack-Sport behaupten. 1972 erlaubten Leichtmetallzylinder und -köpfe eine höhere Kompression und schafften zudem die thermischen Problemen der Gusseisenversionen aus der Welt. Den hinteren Zylinder drehten die Ingenieure um, so dass die mit wuchtigen Luftfiltern versehene 36er Vergaser rechts und die hochgezogene Auspuffanlage links Platz fanden. Kurbelwelle, Pleuel, Kolben und Ventile wurden auf ein modifiziertes Bohrungs-Hub-Verhältnis hin neu konstruiert. Mehr Power und erstaunliche Standfestigkeit waren die Folge, fortan dominierte die XR-750 in ihrer speziellen Disziplin. 

Drift-Kunst, immer links herum.

Punkto Traktion war der XR 750-Twin für die speziellen Anforderungen auf Halfmile- und Mile-Ovalen das Mass der Dinge. Ganze Legionen namhafter US-Rennfahrer bretterten damit erfolgreich über die Pisten. Mark Brelsford, Cal Rayborn, Mert Lawwill, Jay Springsteen, Scott Parker, Ricky Graham, Kevin Atherthon, Chris Carr plus unzählige namhafte Privatfahrer eroberten landesweit Erfolge. 

Rarer Hammer: XR1000 von 1983.
Blieb glücklos: XR1200 von 2008

In den Jahren 1972 bis 2008 wurden damit 29 der 37 AMA Grand National Championships errungen und mehr Rennsiege als jedes andere Motorrad in der Geschichte der AMA. Auch Evel Knievel vollführte seine Stunts und Sprünge mit einer XR-750 und das Guggenheim Museum erkor sie zu einem der Schmuckstücke in der Ausstellung »The Art of the Motorcycle«. Zu den straßenzugelassenen Derivaten gehören die 1983 eingeführte XR 1000 und die XR 1200, die 2008 auf den Markt kam. 

Wilde Zeiten: Dave Sehl.

Die letzten XR-750 des Harley-Werks-Teams rotzten zwischen 90 und 100 PS ans Hinterrad und wogen ohne Benzin 143 Kilo. Die Drehmoment-Kurve verlief extrem flach, der optimal nutzbare Bereich lag zwischen 6.000 und 9.500 Touren. Nach dem Einkuppeln am Start schalteten die Fahrer möglichst rasch in den zweiten Gang. Turn 1 wurde im Dritten durchbeschleunigt, auf der Oval-Gegengeraden der vierte Gang reingekickt und blieb dann bis zum Rennende drin. Der Schalthebel war rechtsseitig angeordnet, und zwar über dem Bremshebel für das Hinterrad.

Dicke Rohre an dicken-Pötten, kleiner Tank.

Die Gemischaufbereitung besorgten 38er Mikuni-Flachschieber-Vergaser. Ein Luftmengenbegrenzer aka Air-Restrictor mit 34 mm Durchlass war Vorschrift. Als Kraftstoff wurde Race-Fuel mit 105 Oktan eingefüllt. Je nach Oval-Strecke werden verschiedene Motorvarianten eingesetzt. Für die Mile-Rennen (in Springfield oder Syracuse/New York) wurde dem Zweizylinder eine Kurbelwelle für leicht erhöhte Spitzenleistung eingebaut. Bei kürzeren Halfmile-Rennen kam eine andere Kurbelwelle zur Anwendung, die eine einem Single nicht unähnliche Leistungscharakteristik für verstärkten Durchzug bewirkte und deshalb intern “Twingle“ genannt wurde (eine Wortkreation aus Twin und Single). 

Legende Evil Knievel.

Seit Beginn der 80er Jahre fertigte Harley-Davidson statt kompletter XR-750-Racebikes nurmehr Motoren und sicherte die Teileversorgung für die Rennteams, die ihre Fahrwerke ohnehin gern in Eigenregie bauten. Ende der Achtziger gab’s dann statt der Motoren nur noch Teile. Wer eines der etwas mehr als 500 Komplettbikes aus Milwaukee besitzt, kann sich glücklich schätzen, denn diese sind längst ein Vielfaches des ursprünglichen Preises wert. 

Legendäre Kämpfe im Dirttrack-Mekka Springfield.

Noch heute donnern etliche der auf über 100 PS erstarkten XR-750 Rennmaschinen über amerikanische Flat-Track-Pisten, auch wenn Harley-Davidsons Werks-Team inzwischen einen Nachfolger der klassischen Sportskanone an den Start schickt: Die XG750R, deren flüssigkeitsgekühlter 60-Grad-V2 auf dem Revolution-X-Motor der Street-Modelle basiert.

Also rufen wir über den großen Teich: Happy Birthday, du alter, fetter, lauter, immer noch fetzig starker V2-Eisenhammer – keep Racing! 

Der Platz im Museum ist sicher.

Fotos: HD

About Author

Gerhard Rudolph, fährt Honda CB 1300 und am liebsten Jethelm mit dunklem Visier.

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