
Vor zwei Jahrzehnten beschickte Honda die Superbike-WM mit der VTR1000SP1. Ein großvolumiger Zweizylinder war etwas Neues für den weltgrößten Motorradhersteller. Der 90-Grad V-Twin mit 90 Grad Zylinderwinkel steckte in einem Aluminiumrahmen mit Zweiarmschwinge. Zuvor hatte Honda sich die WM mit V4-Überdrüber-Sahnetechnik einverleibt, zweimal mit der VFR750R aka RC30 (mit Fred Merkel 1988/89) und einmal mit der RVF750R aka RC 45 (unter John Kocinski 1997). Nun war der Plan, Ducati mit eigenen Waffen eins auszuwischen, weil das Reglement den Twins im Laufe der Jahre dank geschickter Lobbyarbeit der Italiener immer mehr Hubraum zugestanden hatte als den 750er Fours. In gewisser Weise standen die Japaner mit dem Rücken zur Wand, angesichts der Bigbore-Desmo-Granaten aus Bologna, die mit den 916/996/998-Twins ordentlich umrührten und Erfolge einheimsten.

Aprilia war bereits 1999 auf den V-Twin-Zug aufgesprungen, als sie voller Elan in die Superbike-WM einstiegen. Selbst die Winzfirma Bimota kombinierte die italienische Philosophie mit einem V-Twin von Suzuki, um damit in der Saison 2000 aufzukreuzen. Auch wenn technologisch flexibles Denken für die Japaner nie ein Problem darstellte, das präferierte V4-Konzept beiseite zu schieben, war keine einfache Entscheidung für Honda. Aber sportlicher Ehrgeiz war sicher ein wesentlicher Faktor, in andere technische Fahrwasser abzubiegen.


Die VTR1000SP1 kam zunächst als Straßenmotorrad auf den Markt. Mit relativ aufrechter Motoreinbaulage verfügte der 999er V-Twin über eine Kurbelwelle, Vierventilzylinderköpfe und eine elektronische Einspritzung mit zwei Einspritzdüsen pro Zylinder. Abgesehen von den seitlich montierten Wasserkühlern war das technische Grundkonzept nicht sonderlich neu oder radikal. Die mit HRC-Hausmitteln aufgepumpte Werks-Rennmaschine für die Superbike-WM erhielt das Zusatzkürzel W (wie Works), was die Bezeichnung VTR1000SP-W ergab. Showa steuerte die Federungselmente bei, Nissin die Bremsen. Als Fahrer blieben Kiwi Aaron Slight und Ami Colin Edwards im Castrol Honda-Team bei der Stange.

Edwards erinnert sich noch heute, wie einfach die Twin-Honda zu fahren war. »Im Gegensatz zur hochdrehenden V4 erforderte die VTR eine andere Fahrweise. Die Leistungsentfaltung erfolgte kontinuerlich, damit war das Bike problemloser zu fahren. Es galt mehr auf der Drehmomentwelle zu reiten als den Motor einfach nur schreien zu lassen.«
Die Kunde, dass die VTR1000SP1 in der WM anrollen würde, erreichte Colin Edwards als Honda-Werksfahrer bereits Ende 1998. In Australien in Eastern Creek und auf Phillip Island erfolgten 1999 die ersten Testfahrten. Sonderlich stark motorisiert war Hondas Twin zu dem Zeitpunkt nicht, weil noch annähernd serienmässig. Der HRC-Kit war erst in der Entwicklung, weil das Renndebüt für die Saison 2000 geplant war. Auf den Geraden fehlten dem Bike 20 bis 25 km/h Spitze. Trotzdem lagen die Rundenzeiten nur etwa eine Dreiviertelsekunde unter als denen der RC45.

Edwards: »Der Twin war definitiv reifenschonender. Damals war Michelin unser Reifenausrüster, es gab noch keine Einheitsgummis für alle. Massgeschneiderte Pneus waren die Norm, jeder war auf unterschiedlichen Karkassen und Mischungen unterwegs. Es gab ständig Neues auszuprobieren. »Fogarty mag diesen Gummi, willst Du ihn nicht auch einmal ausprobieren«, hörte ich damals oft. Die zur Verfügung stehende Auswahl war viel größer, nicht nur zwei oder drei Typen.«
Zur erfolgreichen Debüt-WM-Saison 2000 trug auch bei, dass die 1000er VTR eher unkompliziert abzustimmen war. Fahrer auf sieben verschiedenen Fabrikaten gewannen damals Rennen. Colin Edwards kassierte insgesamt 8 Rennsiege und sicherte sich mit 400 WM-Punkten den Superbike-WM-Titel vor Noriyuki Haga (Yamaha), Troy Corser (Aprilia), Pierfrancesco Chili (Suzuki), Akira Yanagawa (Kawasaki), Troy Bayliss (Ducati), Ben Bostrom (Ducati) und Aaron Slight auf der zweiten VTR.

Der »Texas Tornado« gewann den Superbike WM-Titel in der Saison 2002 erneut, diesmal auf der VTR1000SP2, nach erbittertem Kampf mit Troy Bayliss, der in der ersten Saisonhälfte gleich 14 Rennläufe gewann. Edwards dominierte dafür die zweite Saisonhälfte, kassierte insgesamt 11 Laufsiege und behielt auch beim entscheidenden Finale in Imola die Oberhand. Am Ende siegte der amerikanische Honda-Pilot mit 552 WM-Zählern vor dem australischen Ducatisten mit 541 Points und holte die WM-Krone erneut nach Japan.
Edwards: „Wir haben die WM gewonnen und Ducati besiegt, die erste VTR war schon großartig, die VTR1000SP2 noch viel besser. Die technische Weiterentwicklung klappte vorzüglich. Alle Schwächen aus dem ersten Jahr wurden erfolgreich ausgemerzt. Die HRC-Leute haben sich tüchtig ins Zeug gelegt. Es fehlte uns an nichts, kein Aufwand war zu viel.« Was auch für die beteiligten Partner galt. Akrapovic zum Beispiel: Über den Zeitraum von drei Jahren entwickelte die slowenische Company sage und schreibe 54 Auspuffanlagen für das VTR-Superbike, weil Honda ständig Anpassungen am V2-Motor vornahm. Zusätzlich gewann Colin Edwards 2002 zusammen mit Valentino Rossi als weiteres Highlight das Suzuka 8H-Rennen auf einer Werks-VTR1000SP2.

Am Ende der dreijährigen Zeitspanne mit der VTR1000SP (aka RC51) in der Superbike-Weltmeisterschaft zog sich Honda werksseitig zurück. Insgesamt wurden 26 Siege, weitere 30 Podestplätze sowie zwei Fahrer-WM-Titel (2000 und 2002) erobert, man darf also von einem stolzen Kapitel in Hondas Racing-Historie sprechen. Auch deshalb gelten die über etliche Jahre gebauten Serien-Bikes VTR1000SP1 und VTR1000SP2 bis heute als etwas Besonderes – als Twin to Win!

Text: Mat Oxley/Gerhard Rudolph
Fotos: Honda, Buenos Dias
1 Kommentar
Gude Gerhard,
deine „Archivperlen“ sind für mich ein Highlight auf deiner Homepage. Besten Dank dafür!
Gruß Till