
Die Marke Nolan wurde 1972 von Lander Nocchi ins Leben gerufen, der als Unternehmer zuvor Windscheiben produziert hatte und erkannte, welche Möglichkeiten Lexan, ein spritzgusstauglicher Kunststoff aus der NASA-Raumfahrttechnik, für die Produktion von Motorradhelmen bot. Die heutige Nolangroup ist der größte europäische Helmhersteller und in Italien die einzige Company, die ihre Kopfschützer komplett in Eigenregie inhouse fertigt, statt die Produkton ganz oder teilweise in exotische Destinationen auszulagern. Die Nolangroup expandierte 1993 mit der Sparfuchs-Marke Grex, 1998 begann mit X-lite die Produktion von Premium-Helmen aus Composite-Fasern. Das Unternehmen ist in Brembate di Sopra bei Bergamo angesiedelt, beschäftigt 340 Mitarbeiter und produziert 400.000 Helme im Jahr, die rund um die Welt in 80 Länder verkauft werden.

Der Rundgang durch die Produktionshallen erlaubt aufschlussreiche Eindrücke, überall gibt es spezielle Maschinen und Apparaturen, geschäftige Mitarbeiter und einen nie endender Warenfluss von Workstation zu Workstation zu entdecken. Wir sehen Gitterkäfige mit vorproduzierten Außenschalen und Innenkalotten, Rollständer mit halbfertigen Schalen auf dem Weg zu Lackierstrassen für Farben und Klarlack und bewundern, wie Visiere in spezielle Bäder eintauchen, um kratzfest veredelt zu werden.

Pinlock-Visiere gegen Antibeschlag (Nolan hat die Patentrechte erworben und fertigt diese selbst) entstehen an einer speziellen Maschine, an der ein Dosierautomat umlaufend exakt eine Dichtwulst aufträgt. Ebenfalls wie von Geisterhand gesteuert verschleifen in Glaskästen Industrie-Roboter mit Greifarmen die Helmschalen an Bandschleifmaschinen.


Wir sehen Mitarbeiter, die die Innenausstattung einbauen, die Bohrungen für die Kinnriemen anbringen oder Visiere montieren. Beeindruckend ist, wieviel manuelle Arbeit insgesamt im Spiel ist, wie oft jeder einzelne Kopfschutz in die Hand genommen und bearbeitet, komplettiert oder nachgeprüft wird auf dem Weg zum fertigen Endprodukt.
Die Aussenschalen aus Lexan für Nolan-Helme entstehen an Spritzgussmaschinen. Das Rohmaterial wird in Kügelchenform als Granulat angeliefert, erhitzt und mit komplizierten, tonnenschweren Werkzeugen, die wie aufklappbare Stahlquader anmuten, in Form gebracht und nach dem Erkalten entnommen.

Die Verbundfaser-Schalen für X-lite-Helme entstehen komplett in Handarbeit. Dabei werden Matten aus Carbon, Kevlar und GfK in einem speziellen Verfahren in einer eigens erstellten Form verarbeitet. Zuschauen war gestattet, aber die einzelnen Schritte sollen geheim bleiben, deswegen wurde dem Chronisten hierüber Stillschweigen auferlegt. Bei den Ultracarbon-Helmen von X-lite, die noch leichter ausfallen, ist der Kohlefaser- und Kevlar-Anteil nochmals höher. Die Herstellungszeit bei X-Lite-Helmen fällt deutlich länger aus, nochmals bis zu zwei Stunden mehr als bei Kopfschützern mit Lexan-Außenschale.
Spezialmaschinen für die Produktion… …der Innenkalotten aus Styropor.
Die Fertigung der schlagdämpfenden Styropor-Innenkalotten übernimmt eine Reihe mit Schläuchen und Luftflaschen gespickter Maschinen. Das Rohmaterial wird erhitzt und in spezielle Formen eingespritzt, unter exakt dosierter Zugabe eines Gas-Luft-Gemischs. Die jeweilige Zusammensetzung entscheidet, ob die Knautschzonen in bestimmten Bereichen härter oder weicher ausfallen, um die geforderten Dämpfungs-Eigenschaften bieten zu können. Eine Kalotte kann am Ende für Stirn-, Seiten- und Kopfteil bis zu drei verschiedene Härten oder Dichten aufweisen.

An jener Station, an der die Helmschalen dekorativ beklebt werden, arbeiten 25 Damen und bringen in aller Seelenruhe unzählige Designs in Handarbeit auf. Wie beim Modellbau werden die Dekor-Elemente in Wasser aufgeweicht und akribisch platziert. Zum aufwändigsten zählt ein Replica-Dekor von Chaz Davies, bei dem 30 Einzelelemente angebracht werden. Bis zu 20 Minuten können dabei pro Helm verstreichen. Trockene Anmerkung vom deutschen Nolangroup-Vertriebsleiter Klaus Weymann: »In der Zeit bauen die beim Daimler einen Achtzylinder zusammen«. Auf jeden Fall wird verständlich, warum aufwändig dekorierte Helme am Ende unterschiedlich bepreist sind.

Der Rundgang führte auch ins zertifizierte, hauseigene Testlabor, in dem jährlich an die 4.000 Helme pro Jahr geprüft werden, für die Entwicklung wie für laufende Stichproben aus der Produktion. Weltweit existieren über ein Dutzend Prüfnormen, die geläufigsten sind ECE, Snell oder JIS (für Europa, USA und Japan). Demonstriert wurde, wie ein Helm nach Kriterien der Prüfnorm ECE 22/05 mit einem knapp 5 Kilo schweren und mit Sensoren bestückten Prüfkopf in einer über 3 Meter hohen, turmähnlichen Prüfapparatur auf 7,5 Meter pro Sekunde (oder 29 km/h) beschleunigt einem Schlagtest unterzogen wurde. Nach einem gewaltigen Rumms beim Aufschlag auf ein bordsteinähnliches Gegenstück war auf einem Computer-Monitor dargestellt, wie die gemessene Verzögerung in g (also der Erdanziehung) einen definierten Grenzwert von 275 g nicht überschritt und auch der darauf basierende HIC-Wert (Head Injury Criterion) im unkritischen Bereich blieb.
Bei Helmen wird der Großteil der zu absorbierenden Energie (zu 80 %) über die Styropor-Innenkalotte aufgenommen, die sich beim Aufprall verformt. Diese »Knautschzone« geht nicht in die ursprüngliche Form zurück. Deswegen soll ein Helm, der einen Aufprall aufgenommen hat, nicht mehr genutzt werden. Um die Zusammenhänge zu demonstrieren, wurde ein Lexan-Helm mit einer Luftdruck-Apparatur wiederholt mit einem 300 Gramm-Bolzen beschossen. Beim ersten Versuch zeigte die Außenschale eine Vertiefung und die Innenkalotte eine Ausbuchtung. Nach dem zweiten Einschlag auf die gleiche Stelle zeigte die Außenschale eine massiv größere Verformung, auch das Styropor war sichtlich stärker eingedrückt. Erkenntnis: Eine komprimierte Kalotte verkraftet beim Zweitschlag erheblich weniger Energie. Ein Helm, der seine Schutzwirkung einmal geleistet hat, sollte ersetzt werden. Ohne Wenn und Aber.

Beeindruckend auch andere spezielle Prüfstände. Eine Reihe Kinnriemen-Mikrolocks (eine patentierte Nolan-Erfindung) muss zum Beispiel 10.000 automatisierte Schließ- und Öffnungsvorgänge überstehen. Anschließend werden die Schlösser mit Salzwasser besprüht, danach wird die Dauertest-Prozedur wiederholt. An einer anderen Prüfapparatur werden Visiermechanismen von einem hydraulischen Schließzylinder 15.000 Mal geöffnet und wieder geschlossen, eine ähnlich automatisierte Prozedur müssen Klapphelme überstehen.

Auch Nolans Visiere werden aus (in diesem Fall durchsichtigem) Lexan hergestellt, um bei einem Unfall zumindest den gleichen Schutz zu bieten wie bei Außenschalen. Diese werden in Tauchbädern kratzfest beschichtet, um für die ECE 20/22 zulässig zu sein. Getönte Visiere sind bereits vom Granulat durchgefärbt statt durchsichtig; lediglich die Beschichtung von Spiegelvisieren wird äußerlich aufgebracht.
Helmschalen werden im Rohbau verschliffen, nach dem Lackieren beklebt und mit Klarlack versehen. Verwendet werden ausschließlich Lacke auf Wasserbasis. Die Außenschalen werden dann im Endmontage-Bereich an Arbeitsinseln ausgestattet und fertig komplettiert. Mit Kinnriemen, Belüftungsklappen, Dichtungen, Umleimern, Kantenschutz, Innenkalotten und der Polsterausstattung bis hin zum Visier samt Schließmechanik. Die Helme werden final gecheckt und zur Auslieferung bereitgestellt. Bei Nolan-Helmen aus Lexan verstreichen für die Herstellung mit allen Schritten je nach Modell zwischen drei bis vier Stunden, bei X-lite-Helmen aus Verbundfasern nochmal zwei Stunden mehr.

Der Rundgang endet in einem Vorführraum mit Helmen aller Bauweisen und Dekors. Dort folgten Infos zu neuen Helmen, die auf der EICMA-Messe demnächst in Mailand vorgestellt werden.

Neu ist der X-lite X-803 RS mit Aero-Spoiler-Abschluss am Hinterkopf, wie man es vom MotoGP-Sport kennt. Der Kunststoff-Aufsatz verbessert die Aerodynamik auf der Rennstrecke und den Topspeed. RS steht als Abkürzung für »Racing-Setup«. Ein Must-Have also für Trackday- und Hobby-Rennfahrer und alle, die auf der Strasse Aushängeschildern wie Danilo Petrucci. Alex Rins oder Chaz Davies nacheifern wollen und den letzten Schrei punkto Ausstattung nutzen möchten.


Neu ist auch der Nolan N87+, eine weiterentwickelte Variante des N87, Nolans Alltime-Klassiker und Butter & Brot-Modell, der weiter im Programm bleibt. Beim N87+ ist das sogenannte NURSE (Nolan Emergency Release System) neu mit eingebaut, welches nach einem Sturz ermöglicht, die Wangenpolster direkt zu lösen, um Verletzungen am Kopf oder Hals-Wirbelsäulenbereich beim Abziehen auszuschliessen.

Zweite Neuerung am Nolan N87+ ist das sogenannte LPC (Lineup Positioning Control), das erstmals im X-lite X-903 angewendet wurde. Damit besteht die Möglichkeit, das Anliegen am Oberkopf separat zu verstellen. Wenn der Helm bereits rundum gut sitzt, besteht mittels LPC zusätzlich die Möglichkeit, das Innenfutter im oberen Bereich separat anzupassen, also enger oder weiter einzustellen. Weiterhin gibt es neue Dekore, von klassisch bis verspielt metallisch oder mit Glitzereffekt, jedenfalls sehr ansprechend. Der N87+ kostet je nach Dekor zwischen 279,- und 299,- Euro.


Auch den Klapphelm Nolan N100-5 gibt es künftig neu als zusätzlichen N100-5+ mit LPC, der einstellbaren Innenausstattung. Für den N100-5+ sind 439,- Euro zu berappen, mit Dekors, weil Mattschwarz oder dekorfreie Uni-Varianten entfallen. Eine Besonderheit beim N100-5 ist das Kinnteil mit einer Kinematik, die dafür sorgt, dass das aufgeklappte Teil im oberen Bereich näher herangezogen wird, damit sich auch offen bis ca. 100 km/h locker fahren lässt, anstatt weit im Fahrtwind abzustehen. Dazu gibt es einen Winterkragen aus Neopren, der sich über Strippen zuziehen lässt, um dichter abzuschliessen und Windgeräusche reduzieren hilft.


Der Tourensport-taugliche Integralhelm X-Lite X-903 mit integriertem Sonnenvisier glänzt nicht nur mit einer Magnetmechanik, die einen besonders einfachen Visierwechsel gestattet, sondern auch mit einer Oberkopfbelüftung, deren Klappenstellung praxisgerecht mit einem Blick in den Rückspiegel überprüft werden kann – ein roter Streifen signalisiert eine geschlossene Klappe, bei Schwarz ist die Klappe geöffnet. Eine Besonderheit ist auch, dass einzelne Farbvarianten wahlweise mit Mikrolock oder Doppel-D-Ringverschluss angeboten werden.

Bei X-lite werden drei Außenschalen produziert, um die Konfektionsgrößen abzudecken, bei Nolan sind es zwei Schalengrößen. Für die diversen Helmgrößen sind auch die Innenkalotten entsprechend angepasst und von der Dicke her unterschiedlich, so dass die Polster bei der Stärke gleich gehalten werden können, was wichtig ist für den Tragekomfort und einen gleichbleibend sicheren, festen Sitz.

Mit das Wichtigste an einem Helm ist immer die Passform. Bei fast allen Helmen von Nolan und X-lite gibt es deshalb zum standardmäßig verbauten Innenpolster die Möglichkeit, auf 5 mm dickere oder 5 mm dünnere Wangenpolster auszuweichen, was hilfreich ist, wenn es oben herum passt, seitlich aber nicht. Was die Gesamtauswahl betrifft, sollte das Prädikat »ausreichend« greifen: Bei Nolan stehen 14 Helmtypen zur Auswahl, bei X-lite 11 und 6 bei Grex, mit jeweils zwischen 3 und 16 Modell-Varianten in etlichen Farben und Dekors. Die komplette Übersicht gibt´s unter dem Link www.nolangroup.de

Fotos: Buenos Dias