Archivperle: Honda RVF750R, RC45

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So offenherzig wurde der 1997er Jahrgang des WM-Superbikes hergezeigt.

Die Superbike-WM wurde 1988 aus der Taufe gehoben, als Gegenpol zum GP-Sport, der traditionell Prototyp-Rennmaschinen vorbehalten ist (damals Zweitakter, heute Viertakter). Die seriennahen Viertakt-Sportmotorräder mussten Homologations-Auflagen erfüllen, für Straßenbetrieb zulassungsfähig sein und in einer Mindeststückzahl an Kunden verkauft werden. Die VFR750R alias RC30 war die erste Honda, die mit Blick auf die neue Rennserie entwickelt wurde. 1988 gewann der Fred Merkel mit dem heute legendären V4-Bike die Superbike-WM-Krone, auch 1989 konnte er dieses Kunststück wiederholen.

Aaron Slight at speed: Mr. RC45 quasi.

1994 ließ Honda die RVF750R (mit dem Modellcode RC45) mit renntauglicher Technik folgen. Der neu konstruierte 90 Grad-V4-Motor (mit extrem kurzhubiger Auslegung und steiler angeordneten Ventilen) glänzte mit einer PGM-FI Benzineinspritzung. Diese Technologie war aus der Ovalkolben-NR750 übernommen und verfeinert worden.

Technik für Durchblicker.

Auch bei der RC45 übernahmen Zahnradkaskaden den Antrieb zu den Nockenwellen im Zylinderkopf. Die Zahnräder waren rechtsseitig (statt mittig) angeordnet, um Lagerstellen zu sparen und die Baubreite zu reduzieren. 120 PS bei 12.000 Touren leistete das V4-Bike mit Straßenzulassung. Mit HRC-Tuning-Kits ließ sich die Leistung für Rennzwecke auf über 150 PS bei rund 14.000 Touren steigern. Das Brückenrahmen-Alu-Chassis mit Einarmschwinge und (damals) neuer Upside-Down-Gabel präsentierte sich auf Renntauglichkeit und radikale Handlichkeit ausgelegt. Knapp 44.000 Mark kostete 1994 das Superbike für die Straße, inklusive Licht, Blinkern und allem was dazu gehört.

Mit Licht, Blinker und Nummerschildhalter: Serien-RC45

Das Castrol-Honda-Team startete 1994 in der Superbike-WM mit den Fahrern Aaron Slight und Doug Polen. Das neuseeländisch-amerikanische Duo, das zwischendurch mit einer RC45 die 8 Stunden von Suzuka gewann, beendete die erste WM-Saison auf den Plätzen 3 und 4.

Für 1995 überarbeitete HRC die Innereien der RC45 zugunsten weiter reduzierter innerer Reibung, höherer Drehzahlen (14.750 U/min), mehr Leistung sowie breiter nutzbarem Drehzahlband. Dazu steigerten Ansaugtrichter mit variablen Längen die Flexibilität des V4. Beim WM-Rennen in Monza flitzte die Castrol-Honda erstmals auf die Pole, in Albacete schmetterte Aaron Slight zum ersten WM-Laufsieg, gefolgt von einem weiteren Sieg in Sentul. Slight platzierte sich am Ende der Saison erneut auf dem 3. Rang in der Punktetabelle.

Wayne Gardner führte die V4 bei den 8H Suzuka zum Sieg.

1996 wechselte Weltmeister Carl Fogarty zu Castrol-Honda. Der Brite gewann mit dem V4-Renner einen WM-Lauf in Hockenheim und schaffte in Assen erstmals einen Doppelsieg am Renntag. Teamkollege Aaron Slight heimste einen Laufsieg in Hockenheim ein, wurde dazu sieben Mal Zweiter, fünf Mal Dritter, fünf Mal Fünfter, vier Mal Sechster und am Ende der Saison Vize-Weltmeister.

Für 1997 steigerte Honda die Leistung des 750er-V-Vierzylinders um 10 PS auf 180 PS bei 14.750/min. Eine zweite Einspritzdüse für jeden Zylinder, in Verbindung mit einer neuen Airbox sowie vergrößerten Luftkanälen in der Verkleidung, bewirkte ein optimiertes Drehmoment und eine fülligere Leistungscharakteristik. John Kocinski, das Fahrgenie aus Amerika, damals 29 Jahre alt, stürmte 1997 zu 9 WM-Laufsiegen und bescherte Honda im japanischen Sugo den ersehnten WM-Titel mit der RVF750R. Aaron Slight gelangen in dieser Saison drei WM-Laufsiege, dazu sieben Podestpätze – damit wurde er WM-Dritter.

Joey Dunlop auf der TT, auch ein ruhmreiches RC45-Kapitel.

Kocinskis WM-Triumph blieb der Höhepunkt in der Geschichte der RC45, auch wenn das Castrol-Honda-Team damit noch zwei weitere Jahre in der Superbike-WM antrat, bevor schließlich die V2-Maschine VTR1000SP an die Front geschickt wurde. Colin Edwards kam 1998 an Bord und wurde mit der RVF750R WM-Fünfter, im Jahr darauf WM-Vize. Aaron Slight holte in der Saison 1998 mit der RC45 den Vizeweltmeistertitel (mit 5 Siegen und 10 weiteren Podestplätzen), in der Saison 1999 wurde er WM-Vierter.

Wer je eine Honda RC45 auf der Rennstrecke erlebt hat, wird den charakteristischen V4-Sound noch in den Ohren haben, der akustisch auf Grund der hohen Drehzahlen vernehmlich heller und giftiger tönte als die sonor-tiefbassigen RC30-Renner. Eine RC45-Werks-Honda gilt damals wie heute als Technik-Juwel. Die Hightech-Aura, die speziell diese V4-Maschine umgibt, war und ist speziell.

Schicksal heute: Im Museum und auf Ausstellungen verharren und an Rennerfolge erinnern.

Fotos: Buenos Dias, Honda

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Gerhard Rudolph, fährt Honda CB 1300 und am liebsten Jethelm mit dunklem Visier.

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