8H Oschersleben Endurance-WM-Finale

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Man beachte das Bremsmoment der schrägen Körpersprache beim Le Mans Start und dass die meisten auch mit dem Von-Links-Aufspringen klar kommen. Reihenfolge am Grid: Yamaha-Yamaha-Suzuki-Honda-Kawa-BMW.

»Nicht zu gewinnen, damit lässt sich umgehen. Aber Aufgeben kommt nie in Frage«. So lautete frei übersetzt ein Sinnspruch auf den T-Shirts der April Motos Motor Events-Truppe mit Startnummer 50, die bis zum Finale die WM-Wertung angeführt hatte. Das private Suzuki-Team mit Black/Fastre/A. Cudlin war als WM-Leader nach Oschersleben gefahren, hatte jedoch mit einem frühen Sturz Pech im Rennen. Platz 11 am Ende reichte für Rang 3 in der WM-Tabelle. Immer noch sensationell-respektabel, kein Thema.

Den Titel machten dann aber doch wieder die offiziellen Teams unter sich aus. SERT-Suzuki (mit Philippe/Delhalle/Masson) reichte Platz 2 mit einer halben Minute Rückstand zum neuerlichen Titelgewinn, GMT94-Yamaha (mit D. Checa/Canepa/Mahias) gewann das Rennen bei extremer Hitze nach einem Spurt in der Schlußphase, schrappte an der WM-Krone jedoch mit einem Zähler Rückstand vorbei. Zuvor lag YART mit Parkes/Fritz nach superber Fahrt 6 Stunden auf Sieg- und WM-Titelkurs, aber dann überhitzte die R1 und alle Titelambitionen verdampften in die Sommernacht.

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Offenbar gebührt die ewige 1 auf der Langstrecke SERT-Suzuki, deren GSX-R als Weltmeister kam und ging. Hier sehen wir, wie die »Riders Lounge« in der Box gleichzeitig als Ersatzteillager dient, was hilft, die effiziente Arbeit des Teams zu verstehen. Zu sehen ist nicht nur, wie Helme und Handschuhe getrocknet werden. Gelüftet wird auch die Lebensart der Fahrer: Pilot 1 trinkt Wasser, Pilot 2 Motul, Pilot 3 Bier (oder so ähnlich – Scherz).

Vor dem Rennen stiefelte der Salatprynz zum Suzuki-Teamchef Dominique Meliand, der seit über 35 Jahren für diesen Sport brennt und fragte, welches Briefing er seinen Fahrern mitgeben werde, angesichts der speziellen Situation aus irrer Hitze, heftigster Konkurrenz und massivem WM-Titel-Druck. Der freundliche Fuchs grinste und gestikulierte mit der rechten Hand, wie man am Kabel zieht: »Gas ist rechts, wir sind hier, um zu gewinnen, also sage ich, fahrt da raus und gebt alles. Die Nummer 50 kann noch Weltmeister werden, ein paar andere auch, alles ist eng. Je nachdem wie sich die Dinge entwickeln, kann man schon reagieren, also taktisch. Aber grundsätzlich lautet die Losung Vollgas, wie immer eigentlich.«

Am Ende zog Meliand, der eigentlich seit 9 Jahren in Rente ist, aber trotzdem mit SERT (Suzuki Endurance Racing Team) weiter macht, den 15. WM-Titel für Suzuki an Land, mit einem Motorrad, das früher zur Technik-Avantgarde zählte, inzwischen als überholt angesehen wird, bloss weil ab Werk kein Elektronik-Hokuspokus an Bord ist. Meliand und seine Racer fahren damit trotzdem auf der Erfolgsschiene, auch wenn erstmals in diesem Jahr kein Rennsieg gelang. Tatsächlich ist der SERT-Gixxer (mit nachgerüsteter Motec-Elektronik) eine Art sportlicher Panzer, immer noch schnell, zuverlässig und ein extrem effizientes Renngerät. Wenn der Nachfolger, der in der Pipeline steckt, nächstes Jahr anrollt, werden die Leute das aktuelle Teil möglicherweise verzückt verklären wie einen Gruppe-B-Quattro oder Lancia Stratos – verdient wäre der Ruhm für die Ewigkeit auf jeden Fall.

Warum die Endurance-Saison überhaupt jetzt schon vorbei ist, obwohl der Bol d´Or in Le Castellet noch aussteht? Weil die FIM den Terminkalender umgekrempelt hat. Die Saison 2016 ist vorbei. Der Bol d´Or Mitte September zählt als Auftakt zur Langstrecken-Saison 2017, die nächstes Jahr dann in Suzuka beendet wird. Ziel der Operation ist, mehr Aufmerksamkeit in Zeiten zu generieren, bei denen andere Championate keine wichtigen Titelentscheidungen fallen. Klingt ein wenig kurios, könnte aber funktionieren; vor allem, wenn sich über den Winter weitere Renntermine organisieren lassen. Erstmal abwarten also, wie sich das nicht eben einfach vermittelbare neue Endurance-Konzept entwickelt, bevor man es verdammt oder an Korrekturen denkt.

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Marvin Fritz geigte mit der YART-R1 wie entfesselt auf, niemand war in der Magdeburger Börde schneller als der angehende IDM-Superbike-Meister. Wasserverlust und Überhitzung machten kurz vor Schluss einen Strich durch die Rechnung. Bradley Smith verletzt, Sieg verloren und den möglichen WM-Titel dazu – verdammt hartes WE.

In Oschersleben schaffte das Penz13-Team den ersten Podestplatz seit dem Umstieg in die EWC-Klasse vor eineinhalb Jahren. Eine problemlose Fahrt und extrem lange Stints halfen dem BMW-Duo Foray/Pesek auf Platz 3. Trockener Kommentar von Rico Penzkofer: »Alles gut. Endlich!«

Mehr als Pech hatte das YART-Team. Zuerst verletzte sich der kurzfristig zur Verstärkung engagierte Bradley Smith am Bein (tiefe Fleischwunde, dazu Bänderverletzungen), dann fiel das Duo Marvin Fritz/Broc Parkes nach fast 6 Stunden in Führung mit Kühlproblemen zuerst zurück und schließlich aus. Damit löste sich auch die berechtigte Hoffnung des Teams auf den WM-Titel in Luft auf.

Tiefschläge setzte es auch für die Völpker-BMW. Zuerst landete Dominique Vincon mit Bein- und Arm-Verletzungen im Spital. Also gingen Mackels/Kerschbaumer als Duo ins Rennen. Ein notwendiger Wechsel nach einem technischen Problem in der Einführungsrunde auf das Ersatzmotorrad kostete zwei Stopp-and-Go-Strafen, später brach bei einem unverschuldetem Sturz auf Öl der Rahmen. Damit war der Traum vom möglichen Superstock-Cup-Sieg vorzeitig beendet.

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Für den Österreicher Lukas Trautmann lief alles wie geschmiert. Sieger in der Superstock-Klasse mit den französischen 3ART Yam Avenue-Team und Gesamtsieger der FIM-Cup-Wertung – mehr geht nicht.

Die werksunterstütze SRC-Kawa wurde nach nur 5 Runden mit Motorschaden beiseite geschoben, die exotische FCC-Honda aus Japan unter Cudlin/Watanabe/Jacobson war nach 2,5 Stunden out; ein Wasserschlauch hatte sich gelöst, das Triebwerk überhitzte und machte der Zylinderkopfdichtung den Garaus. Bei der offiziellen Fireblade-Honda von Foray/da Costa/Gimbert erzwangen zunächst klemmende Bremszangen eine Reparatur, danach wurde ein Ölfleck der CBR 1000 RR SP zum Verhängnis, die Reparatur kostete erneut Zeit. Nach dem Ausfall der YART-Yamaha rückte das Flügel-Trio schließlich von Platz 5 auf Platz 4 vor.

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Das Penz13-Team bei Boxenstopp-Trockenübungen. Rico lauert im Hintergrund, dass das ausgebaute Hinterrad nach hinten geworfen wird, Pesek in Casual-Wear hechtet aus dem Sattel. Das Team mit der Zweierbesetzung Foray/Pesek brauste im Rennen nach fehlerfreier Fahrt auf P3, der erste Podestplatz in der WEC-Klasse nach 1,5 Jahren sorgte für Freude und Erlösung zugleich.

Nicht langweilig übers Wochenende wurde es der Schweizer Bolliger-Truppe mit Stamm/Savary/Vizziello. Auf einen Sturz im Training (Savary) folgte auch im Rennen ein Absitzer, gleich in der ersten Stunde. Während Vizziello, der kurz ausgeknockt war, sich im Spital durchchecken liess, reparierte das Team den ZX10-R-Boliden. Dann nahmen Stamm und Savary die Aufholjagd auf. Später stieß auch der Italiener, dem die Ärzte inzwischen »Grünes Licht« zum Weiterfahren mit der grünen Rakete erteilt hatten, wieder dazu. Gemeinsam kämpfte sich das Trio durch bis in Ziel und und von ganz hinten wieder vor auf Platz 16. Danach gab es Flaschenbier. Verdient natürlich. Aufgeben bei den Eilgenossen? Kein Thema.

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Als Roman Stamm das erste Mal die Handschuhe anlegte, hatte Startfahrer Gianluca Vizziello die ZX10-R bereits unfreiwillig im Kiesbett versenkt. Weil das Bolliger-Team das Wort »Aufgeben« nicht kennt, wurde repariert und es folgte eine beharrliche Aufholjagd von ganz hinten bis auf Platz 16. Sportsgeist im Sinne des Wortes. Respekt!

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Back in Germany, wieder einmal: Damian Cudlin, der heuer für FCC-TSR-Honda als Vollgas-Söldner agiert. Neben ihm Teamchef Masakazu Fuji und Damos superbe Guilty-Fanklub-Truppe.

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Im Training gab es einige Absitzer. Nicht alle verliefen glimpflich, dieser schon. Julien Enjolras vom Tati Racing Beaujolais Team sass am Abend zur Happy Hour in der Pitlane und verteilte fröhlich Autogramme. Seine Antwort auf die Frage, wie man beim Beschleunigen geradeaus nach der Hasseröder-Kurve zu Fall kommt: »Das Vorderrad hat blockiert«.

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Vor kurzem kurvte Danny Märtz noch im Yamaha-Cup herum, inzwischen bewegt er diese Ex-Bolliger-Kawa für das noch junge WSB-Endurance-Team. Fahrer 3 stürzte sich im Warm up außer Gefecht, im Rennen gab es Probleme mit der Spritversorgung, die erst ein Tanktausch kurierte. Mit Teamkollege Sascha Müller fuhr Märtz im Rennen dann tapfer durch auf Platz 20. Als nächstes wird ein Start beim Bol d´Or anvisiert!

 

 

Und noch ein Kurzvideo aus der liebevoll verspielten Ecke, gesehen beim Evers-ZAB-MV Agusta-Team:

 

Fotos: Buenos Dias

Video von bluesprynz via Youtube

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Gerhard Rudolph, fährt Honda CB 1300 und am liebsten Jethelm mit dunklem Visier.

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